Bernhard Peter
Die Karmapas

Stellung des Karmapa:
Der Karmapa ist höchste Autorität der Karma-Kagyü-Schule, einer besonderen Richtung des Vajrayana, die auch nur "Kagyü-Schule" genannt wird (Schwarzhutlamas). Der Name leitet sich von einer schwarzen Krone ab, die von den Reinkarnationen als Verkörperung des Avalokiteshvara getragen wird. Der Karmapa hat also seinen Platz nicht in der vorherrschenden Geluppa, sondern steht einer anderen Schule vor. Karmapa bedeutet "Mann der Buddha-Aktivität". Der erste Karmapa war der Gründer dieser Schule im 13. Jh. Auch der Karmapa wird wiedergeboren. Genau wie der Dalai Lama gilt der Karmapa als Emanation des Avalokiteshvara, des Boddhisattvas der Barmherzigkeit und des Erbarmens. Auffallend ist hier die Parallelität der spirituellen "Ableitung", wobei diese Konkurrenz zwischen beiden Orden durchaus beabsichtigt ist. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß die Gelugpa erst spät die Oberhand gewann und zur vorherrschenden Sekte wurde. Aus religiöser Sicht ist es absolut abzeptabel, daß Avalokiteshvara verschiedene Emanationsformen besitzt, von daher besteht kein Widerspruch. Aber der Karmapa ist die älteste Tulku-Linie des tibetischen Buddhismus, fast 900 Jahre alt, älter als die Inkarnationsfolge des Dalai Lama, deshalb wird der Karmapa von einigen Tibetern als wichtiger angesehen. Sein Auftreten wurde sowohl vom Buddha Shakyamuni (historischer Buddha) als auch von Padmasambhava prophezeit. Traditionell ist der Kamapa das Oberhaupt des Klosters Tsurphu, wo er seine Residenz hat. Der letzte Karmapa ist nach vergeblichen Ausreiseanträgen aus Tibet nach Indien geflohen und lebt dort als politischer Flüchtling. In Tibet wird er hoch verehrt, das Bildnis eines jungen, aufgeweckten Mannes mit sanften Gesichtszügen und runder Brille ist in vielen Klöstern gegenwärtig.

Liste der Karmapas:
1.) Düsum Khyenpa, Düsum Kyênba (1110–1193), Gründer der drei Hauptklöster
2.) Pakshi Chökyi Lama, Bagxi Qoigyi, Karma Pakshi (1204–1283), der Einfluß der Schule dehnte sich in seiner Regierungszeit bis in die Mongolei aus.
3.) Rangjung Dorje (1284–1339), schrieb einige der wichtigsten Lehrbücher der Schule, Lehrer des Kaisers von China
4.) Roibai Dorjê, Rolpe Dorje (1340–1383), Lehrer des Kaisers von China
5.) Dezhin Shekpa, Dêxin Xêgba, Deshin Shekpa (1384–1415), Lehrer des Kaisers von China, bekam von diesem die "schwarze Krone" (s. o.)
6.) Tongwa Dönden, Tongwa Doindain, Thongwa Dönden (1416–1453)
7.) Chödrak Gyatso, Qoizhag Gyaco, Chödrag Gyatso (1454–1506)
8.) Migyoi Dorjê, Mikyö Dorje (1507–1554), wichtiger Verfasser von Lehrschriften
9.) Wangchuk Dorje, Wangqug Dorjê, Wangtschug Dordsche (1556–1603), verfaßte grundlegende Meditationstexte der Schule
10.) Chöying Dorje, Qoiying Dorjê, Tschöying Dordsche (1604–1674)
11.) Yêxê Dorjê, Yeshe Dorje (1676–1702)
12.) Jangchup Dorje, Qangqub Dorjê, Changchub Dorje (1703–1732)
13.) Düdül Dorje, Düdü Dorjê, Dudul Dorje (1733–1797)
14.) Tegchok Dorje, Têgqog Dorjê, Thekchok Dorje (1798–1868)
15.) Khakhyap Dorje, Kakyab Dorje, Khakyab Dorje (1871–1922)
16.) Rangjung Rikpe Dorje, Rangjung Rigbai Dorjê (1924–1982), verlegte seine Residenz wegen der chinesischen Besatzung nach Rumtek in Sikkim
17.) Ogyen Trinle Dorje, Ogyain Chinlai Dorjê, Urgyen Trinley Dorje (geb. 1985, Identität ist umstritten, die Auffindung von Trinle Taye Dorje als konkurrierender Kandidat führte zur Spaltung der Karma-Kagyü-Schule)

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2009
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