Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 231
Würzburg - ein heraldischer Leckerbissen

Dom zu Würzburg, Metallplatte für Erasmus Neustetter genannt Stürmer

An Erasmus Neustetter gen. Stürmer (7.11.1523-3.12.1594) erinnert dieser aus Messing gefertigte Grabplattenbeschlag im Würzburger Kiliansdom. Dieser Kleriker war ein bedeutender Gelehrter und Humanist, der innerhalb des Hochstifts Würzburg herausragende Positionen einnahm und als geistige Größe ein wichtiges Gegengewicht zum Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn wurde. Studienreisen führten ihn nach Italien, nach Frankreich, in die Niederlande, an die Universität Löwen (immatrikuliert am 17.12.1540) und später an die Universität Bologna (immatrikuliert 1543) und an die zu Ingolstadt (immatrikuliert 8.11.1547). Er war 1538-1547 Kanonikus bei St. Burkard in Würzburg. Am 12.2.1538 wurde er Domicellar, am 23.12.1544 Kapitular, und am 11.9.1546 Kustos in St. Burkard. Am 13.12.1547 resignierte er von Kanonikat und Kustodie. Er wurde am 20.12.1544 Subdiakon. 1546-1547 war er auch Domherr in Eichstätt. 1545 wurde er Domizellar des Domstifts in Würzburg und im selben Jahr Stiftsherr des Ritterstiftes Comburg und 1551 zehnter Dekan der Comburg, 1552 Domkapitular in Würzburg, 1553 Mitglied der Bruderschaft Maria dell'Anima in Rom, 1559 Propst von Stift Haug in Würzburg, 1561 Domherr in Bamberg, 1564 Domdechant (Domdekan) in Würzburg (resignierte 1570) und 1565 Propst von Stift St. Gangolf im Gärtnerviertel der Stadt Bamberg. 1583 wurde er schließlich auch zusätzlich Propst der Comburg und damit der oberste Leiter des Ritterstifts. Im selben Jahr 1583 war er Senior des Domkapitels in Würzburg und 1584 Jubilar desselben. In all diesen Positionen erwies er sich Reformen gegenüber sehr aufgeschlossen und führte Visitationen durch und Veränderungen ein. Vor allem aber nahm er wichtige Verwaltungspositionen am fürstbischöflich-würzburgischen Hof ein: 1559-1564 war er Landrichter des Herzogtums Franken in Würzburg, dazu Gesandter des Fürstbischofs bei diplomatischen Verhandlungen, so z. B. 1553 im Zweiten Markgrafenkrieg und 1563 anläßlich der Grumbachschen Händel. 1567 kam er in den Geheimen Rat des Hochstifts Würzburg. Dabei stand er als überzeugter Humanist in einem etwas kritisch-distanzierten Verhältnis zu den jesuitenfreundlichen, gegenreformatorischen Fürstbischöfen in Würzburg, die die Rekatholisierung kraftvoll vorantrieben, auch gab es unterschiedliche Ansichten über die Finanzverwaltung des Hochstifts, wobei der ausgabenfreudige Fürstbischof sich durch das Kapitel gegängelt sah, was zu Neustetters Rücktritt als Domdechant 1570 führte. Tatsächlich war Neustetter so mächtig und angesehen, daß er nach dem Tod von Friedrich von Wirsberg von reformfreudigen Kräften schon als Nachfolgekandidat gehandelt wurde, wobei sich allerdings dann die restaurationswilligen Kräfte mit Julius Echter von Mespelbrunn durchsetzten, welcher bereits Neustetter im Amt des Domdekans ersetzt hatte. Neustetter ging daraufhin auf freundliche Distanz zum würzburgischen Hof und zog sich mehr und mehr aus der Tagespolitik auf die Comburg zurück, die er zu seinem persönlichen Refugium ausbaute, und wo er seine Gelehrten- und Humanistenkontakte pflegte. Als 1580 der Bischofsstuhl in Bamberg vakant war, war er zwar auch ein möglicher Kandidat, erreichte ihn jedoch nicht, sondern unterlag Martin von Eyb. Neustetter übernahm aber noch einmal mit dem Amt des Rektors der Universität Würzburg, das er von 1589 bis 1591 bekleidete, eine wichtige und einflußreiche Position im geistigen Bereich des Fürstbistums.

 

Im Zentralfeld ist unter der Inschrift ("HOC IACET IN TVMVLO, SENIOR NEVSTETTER ERASMVS. SANGVINE, DOCTRINA, CLARVS, HONORE FIDE. VIR PATRIAE ET VIRTVTIS AMANS CRISTIQ(VE) SACERDOS, HAEC DECORA HAS LAVDES, SVSTVLIT VNA DIES.") zwischen den Füßen des Klerikers das Familienwappen der Neustetter gen. Stürmer zu sehen, in Silber ein schwarzer Schachroch, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein silberner, schwarz gestulpter hoher Hut, oben mit einem schwarzen Hahnenfederbusch besteckt. Das Wappen wird beschrieben im Alten Siebmacher und im Neuen Siebmacher, Band: BayA2 Seite: 160 Tafel: 99, bei Schöler S. 77 und Tafel 152, im Alberti S. 553 sowie im Rahrbach S. 170-171. Ganz unten auf der Platte ist die Datierung auf MDXCIV = 1594.

Zu beiden Seiten des zentralen Reliefs befindet sich in zwei Spalten die Ahnenprobe des Domherren, aus insgesamt acht Renaissance-Schilden mit schneckenförmig eingerollten oberen Ecken bestehend. Die heraldisch rechte Spalte (Schwertseite) beginnt oben mit dem Wappen Neustetter gen. Stürmer (s.o.). Der Schild steht für den Vater, Sebastian d. Ä. Neustetter gen. Stürmer (-1562) zu Schönfeld, den Großvater väterlicherseits, Georg Neustetter gen. Stürmer zu Schönfeld, Bernrode und Bilgendorf, und dessen Vater, Albrecht Neustetter gen. Stürmer. Darunter folgt als zweites der Schild der von Truppach (rot-silbern-blau halbgespalten und im Spitzenschnitt geteilt mit drei (2:1) Rosen in den Tinkturen Silber, Blau und Rot) für die Großmutter väterlicherseits, Cunegunda von Truppach, und ihren Vater, Nicolaus von Truppach. Der dritte Schild in der Folge zeigt das gewendete Wappen der von Streitberg (in Rot eine aufrechte silberne Sichel) für die erste Urgroßmutter väterlicherseits, Eva von Streitberg.

   

Darunter schließt der Schild der von Mistelbach (in Rot ein goldener, unten gezähnter Balken) die Reihe ab (Abb. unten), er steht für die andere Urgroßmutter väterlicherseits, Margareth von Mistelbach. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre auf einem Helm mit rot-goldenen Decken ein Paar roter Büffelhörner, jedes Horn mit dem Balken wie im Schild belegt.

Auf der heraldisch linken Seite folgen die Ahnen mütterlicherseits, zuoberst der Schild der von Wollmershausen (in Rot zwei silberne Balken) für die Mutter Elisabeth von Wolmershausen (-1561), den Großvater mütterlicherseits, Markus (Marx) von Wolmershausen (1462-1507), Sohn von Friedrich IV. von Wolmershausen (-1460). Als nächstes folgt der Schild der von Giech (geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silberner Schwan, Feld 2 und 3: in Silber zwei aufrecht gestellte rote Schafscheren nebeneinander; normalerweise Felder umgekehrt belegt) für die Großmutter mütterlicherseits, Barbara von Giech, Tochter von Johann von Giech. Barbara von Giech war die zweite Frau von Markus (Marx); in erster Ehe hatte dieser Ursula von Seckendorff geheiratet. Der vorletzte Schild dieser Spalte zeigt das Wappenbild der Stiebar von Buttenheim (in einem silbern-schwarz geteilten Schild oben eine aus der Teilung hervorkommende rote Saufeder mit goldener Querstange) für die erste Urgroßmutter, Apollonia Stiebar von Buttenheim.

   

Der vierte und letzte Schild, dieser Spalte und der gesamten Ahnenprobe, ist schließlich das Wappen der von Adelsheim (in Silber ein schwarzes, gebogenes Widderhorn oder Steinbockshorn), für die letzte Urgroßmutter der mütterlichen Seite, Margarethe von Adelsheim (Abb. unten). In der logischen Abfolge sind dabei diese beiden letzten Urgroßmütter vertauscht, Margarethe von Adelsheim hätte den Vorrang vor Apollonia Stiebar von Buttenheim gehabt. Margarethe von Adelsheim war die zweite Ehefrau von Friedrich IV., zuvor hatte dieser in erster Ehe Margarethe von Seinsheim geheiratet.

Dom zu Würzburg, Epitaph für Erasmus Neustetter genannt Stürmer

Neben dieser Metallplatte gibt es im Würzburger Dom auch noch ein marmornes Epitaph für Erasmus Neustetter gen. Stürmer (7.11.1523-3.12.1594) im anderen Seitenschiff, praktisch genau gegenüber. Hier befindet sich eine Reliefdarstellung der Comburg hinter dem zum Gebet niederknienden Verstorbenen, der maßgeblich für deren Ausbau verantwortlich war. Auf den beiden Seiten tauchen die gleichen acht Ahnenwappen wie oben beschrieben auf, als Vollwappen ausgeführt, aber zum Teil erheblich beschädigt. Insbesondere die Hoffnung auf erkennbare Kleinode bei den selten auftretenden Vollwappen Mistelbach und Wolmershausen erfüllt sich nicht. Die Reihenfolge der Wappen ist die gleiche wie oben beschrieben, ebenso die Vertauschung der letzten beiden Schilde auf der Spindelseite entgegen der Logik der Ahnentafel gemäß Literatur.

 

Oben in der Mitte befindet sich im Aufsatz noch einmal das Familienwappen der Neustetter gen. Stürmer. Beide Kunstwerke wurden von Erhard Barg gestaltet. Die Inschrift unter dem zentralen Relief lautet: "MORS VENIT EST RATIO REDDE(N)DA ET P(RAE)MIA DANDA. POENA LVENDA ATROX AH HOMO DISCE MORI". Die eigentliche Hauptinschrift im Feld darunter ist verloren, aber bei Salver überliefert (siehe dort).

Übersicht über die Vorfahren des Erasmus Neustetter gen. Stürmer (7.11.1523-3.12.1594):

Eltern:
  • Sebastian d. Ä. Neustetter gen. Stürmer (-1562) zu Schönfeld
  • Elisabeth von Wolmershausen (-1561), Heirat 1523

Großeltern:

  • Georg Neustetter gen. Stürmer zu Schönfeld, Bernrode und Bilgendorf
  • Cunegunda von Truppach
  • Markus (Marx) von Wolmershausen (1462-1507)
  • Barbara von Giech (seine 2. Frau)
  Urgroßeltern:
  • Albrecht Neustetter gen. Stürmer
  • Eva von Streitberg
  • Nicolaus von Truppach
  • Margareth von Mistelbach
  • Friedrich IV. von Wolmershausen (-1460)
  • Margarethe von Adelsheim
  • Johann von Giech
  • Apollonia Stiebar von Buttenheim

Auszug aus der Genealogie der fränkischen Neustetter gen. Stürmer (nach Biedermann et al.):

Weitere Spuren von Erasmus von Neustetter finden wir übrigens in der Klosterkirche der Comburg in Form eines bereits zu Lebzeiten 1570 in Auftrag gegebenen Kenotaphs mit den gleichen acht Ahnenwappen, und ein weiteres Personendenkmal im Diözesanmuseum Bamberg, das ursprünglich aus der Bartholomäuskirche in Hollfeld stammt. Dazu finden sich etliche Wappensteine auf der Comburg, aber ohne Ahnenprobe.

Literatur, Links und Quellen:
Bistum Würzburg: http://www.bistum-wuerzburg.de/
Bistum Würzburg bei Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bistum_Würzburg
St. Kilians-Dom:
http://www.dom-wuerzburg.de/index.php?r=t/
Beschreibung dieses Epitaphs in: Joh. Octavian Salver, Proben des hohen deutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler
http://books.google.de/books?id=ZONWAAAAcAAJ S. 425-428.
Neustetter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Neustetter und http://de.wikipedia.org/wiki/Neustädter_genannt_Stürmer
Neustetter:
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999, Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6, S. 77 und Tafel 152
Genealogie der Neustetter gen. Stürmer: Biedermann, Geschlechtsregister der Reichsfrei unmittelbaren Ritterschaft Landes zu Franken Löblichen Orts Gebürg http://books.google.de/books?id=49JDAAAAcAAJ
Neustetter: Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4, S. 170-171.
Franz Xaver von Wegele, Erasmus von Neustetter, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 557. online:
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Neustetter,_Erasmus_von
Claus Bernet, Erasmus Neustetter, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 21, Bautz, Nordhausen 2003, ISBN 3-88309-110-3, S. 1047-1054.
Stürmer von Unternesselbach, Exlibris
http://www.bildindex.de/obj35043361.html#|home und http://kulturerbe.niedersachsen.de/viewer/image/isil_DE-23_43361/1/logMD_43361/
Neustetter gen. Stürmer: C. Dichtel, Fränkische Grabsteine in Bad Kissingen, Hollfeld und Schönfeld (Zur Genealogie der Heußlein von Eußenheim, der Neustetter gen. Stürmer und von Wolmershausen); Blätter f. fränk. Familienkunde, Bd. 8, Heft 7, 1964
Neustetter:
http://www.eo-bamberg.de/eob/dcms/sites/bistum/pfarreien/dekanate/bayreuth/mariae_himmelfahrt_hollfeld/kirchen/Schoenfeld/Ortschronik.html (mit meinem Text zum Schachroch im Kasten ohne Quellenangabe!)
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Erasmus Neustetter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Erasmus_Neustetter_genannt_Stürmer
Erasmus Neustetter gen. Stürmer:
http://www.deutsche-biographie.de/xsfz71661.html
Lebenslauf Erasmus Neustetter gen. Stürmer: Germania Sacra, Neue Folge 40, Das Bistum Würzburg 6, Die Benediktinerabtei und das adelige Säkularkanonikerstift St. Burkard in Würzburg, bearb. von Alfred Wendehorst, S. 228-229. Online:
http://books.google.de/books?id=NHg0HVaN5n0C und http://rep.adw-goe.de/handle/11858/00-001S-0000-0005-745C-F bzw. http://rep.adw-goe.de/bitstream/handle/11858......khard.pdf S. 253-254
Hans Gräser: Die Niederadelsfamilie von Wollmershausen, vom Ortsadel zum Reichsrittertum, hrsg. vom Crailheimer Historischen Verein e. V., 2014, online:
https://crailsheimer-historischer-verein.de/workspace/media/documents/wollm11_zz3_www-5bca5f1ab910d.pdf

Dom, Moritz von Hutten - Dom, Veit Gottfried von Wernau - Dom, Richard von der Kere - Dom, Albert von Bibra - Dom, Johannes von Guttenberg - Dom, Petrus von Aufseß - Dom, Georg von Giech - Dom, Johann Konrad Kottwitz von Aulenbach - Dom, Franz Ludwig Faust von Stromberg - Dom, Neidhardt von Thüngen - Dom, Georg Heinrich von Stadion - Dom, Konrad Friedrich von Thüngen

Die Entwicklung des Wappens der von Giech - Roch, Rukh

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