Dieter Seifert
Wayang-Kulit-Figuren aus Indonesien


Figuren-Datenbank: Aswatama (Bambang, Raden)

Mythologie:
Raden Aswatama ist der Sohn von Resi Durna und Dewi Wilutama, die die Fähigkeit haben soll, sich in ein Pferd verwandeln zu können. Die Geschichte, wie Aswatama gezeugt wurde, während Durna auf dem fliegenden Pferd Sembrani den Ozean überquerte, wird bei seinen Eltern erzählt. Von dieser Geschichte leitet sich auch sein name ab, denn „Aswa“ bedeutet im Sanskrit „Pferd“. Er hatte das Fell und die Hufe eines Pferdes. Der zweite Bestandteil des Namens ist im Sanskrit "sthaman" = "Stärke". Der Name bedeutet also insgesamt, der Träger hat die Stärke oder die Kraft eines Pferdes. Alias-Namen von Aswatama sind Durnaputra (Sohn von Durna), Guruputra (Sohn des Lehrmeisters), Dwijasuta und Dwijangsa. Wilutama hilft ihrem Sohn im Kampf gegen die Pandawas, so dass er alle Gefahren unbeschadet übersteht. Eine besondere Fähigkeit von Aswatama ist es, ins Erdinnere fliegen zu können. Aswatama besitzt als Waffe einen feuerspeienden Pfeil namens Cundamani, den er aber nicht einsetzt, da er feige ist und aus dem Hinterhalt tötet. 
Aswatama, der auf der Seite der Korawas stand, zog sich aus dem Baratayuda-Krieg zurück, weil er von Duryodhanas defensiver Haltung gegenüber Salya enttäuscht war, den er beschuldigte, Karnas Tod verursacht zu haben. Nach dem Ende des Baratayuda-Krieges und dem Umzug der Familie Pandawa von Amarta nach Astina (Hastinapura) schlug Aswatama zu.
So tötet er Raden Pancawala (Sohn von Puntadewa, auch bekannt als Yudistira), Dewi Banowati (Witwe von Suyudana, wurde von Aswatama der Sympathie für die Pandawas verdächtigt) und nach dem Krieg Srikandi (hatte Resi Bisma im Kampf erschlagen) und Drestrajumena (den Mörder seines Vaters Durna) im Schlaf, als er mit seinen Spießgesellen Kartamarma und Krepa nach dem Ende des Baratayuda-Krieges in den Palast von Astina eindringt. Aswatama ging in die Mythologie ein als feiger Mörder. Er kommt bei dem Versuch um, den in einer Wiege schlafenden Thronnachfolger Astinas - den Säugling Parikesit - zu töten. Der Säugling strampelt und brüllt und löst damit den Pfeil Arjunas - Pasupati - aus, der Aswatama und den Kumpan Kartamarmo den Hals durchbohrt. Krepa kann hingegen fliehen.
Nach einer anderen Version ist es ein Kris, der durch den strampelnden Parikesit gegen Aswatama geschleudert wird. Eine wiederum andere Version besagt, er sei schließlich durch Bimas Hand gestorben, sein Körper sei von der Keule Rujakpala zerschmettert worden.
Darstellerisch ist eine Besonderheit, daß er einen Kain Katongan mit kurzen Hosen trägt. 


Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Bernhard Peter

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Bernhard Peter

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Bernhard Peter

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Bernhard Peter

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Bernhard Peter

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Bernhard Peter

Wenn wir diese Figur nach ihren typischen Merkmalen analysieren, können wir anhand der Merkmalsliste feststellen:
1.2. lebhaftes edles Gesicht, schmale Züge, die Stirn geht in einer Linie in die Nase über, die Augen sind weiter und nicht so schlitzförmig, sie sind zwar prinzipiell mandelförmig, aber weiter geöffnet, die Iris und die Pupille sind rund, der Gesichtsausdruck ist lebhafter und aufmerksamer, der Typus wirkt nicht so in sich versunken. 
Gesichtsfarbe blaugrün
2.3. minimal gesenkter Blick
3.4. Kain Rapekan = ein Hüfttuch, das oberhalb des einen vorderen Knies endet und lang über das andere (hintere) Bein herabfällt, die plissierten Kanten bilden zwei weit ausholende Bögen von oben nach unten hinten, typische Kleidung für Götter, Priester, Minister und Staatsbeamte. Dazu werden lange Hosen getragen, aber der Oberkörper ist frei. 
3.6. Hosen: Unter dem weiten Hüfttuch werden eng anliegende Hosen getragen, die meist durch ihre starke Musterung auffallen. 
4.7. Kombinationsfrisur: Hier wird jeweils ein nach unten gerollter Knoten (4.3. Sanggul keling = ein nach unten eingerollter schlichter Haarknoten) mit einer lang Hals und Schultern herabfallenden Lockenmatte (4.4. offenes Haar, den Nacken herunterhängend) kombiniert. 
4.9. Barttracht: aus zwei Locken bestehender kleiner Kinnbart
5.1 ohne Kopfbedeckung: Viele Figuren tragen gar keine Kopfbedeckung, das sind meistens die Krieger und Prinzen. 
6.2. Diadem mit einer Zackenreihe
6.5. kein Garuda mungkur
6.6. Sumping surenpati, Sumping waderan = Schmuckband hinter dem Ohr, das im Bogen geschwungen ist und vom Nacken weg nach hinten gebogen ist.
7.1. edle Hand: Sie ist lang und schlank, drei Finger sind parallel leicht gebogen, die beiden äußeren berühren sich. Am oben liegenden Finger kann ein Ring mit Schmuckstein getragen werden. Das ist die typische Hand für alle Könige, Fürsten, Prinzen, Ritter.
8.1. nackter Fuß
9.1. keine sichtbaren Waffen
10.1. Schlangen-Oberarmreifen
10.4. je zwei runde Unterarmreifen mit Flügelornament
10.8. Schlangen-Fußreifen
11.3. Beinstellung ausschreitend, mit großem balkenförmigen Zwischenstück
12.2. Kalung ulur-ulur = Schlangenhalskette, wird in engem Kreis um den schlanken Hals gelegt und verläuft dann den Körper entlang bis zur Taille, wo sie in einem Schlangenkopf vorne enden kann. Dieser Schmuck wird nur von Fürsten und Prinzen geführt.
Das ergäbe nach dem Schematismus von Franke-Benn den Typus 10-2-42/43.51.60.70 bzw. 10-2-423.51.60.70. Dieser Typus ist nicht in ihrer Liste vertreten. Mehrere Merkmale sprechen gegen die Zuordnung als Aswatama in ihrem Schematismus. Dennoch wurde diese abgebildete Figur von Dalang Langen Bradanaya als "Aswatayu" = Aswatama identifiziert.

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Dieter Seifert

Aswatayu = Aswatama (WK 126), Photo: Dieter Seifert


Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Aswatama (WK 38), Photo: Bernhard Peter

Auch diese Figur bildet der Schematismus von Franke-Benn nicht ab. Die Figur hat den Typus 10-3-43.502.60.7. Mit diesem Typus sind nur Raden Kakrasana und Raden Baladewa in ihrer Liste vertreten. Mehrere Merkmale sprechen gegen die Zuordnung als Aswatama in ihrem Schematismus. Sie gibt für Aswatama völlig abweichend 10-3-3.501.6.7 an.


Aswatama, Photo: Dieter Seifert

Aswatama, Photo: Dieter Seifert


Aswatama, Photo: Dieter Seifert

Aswatama, Photo: Dieter Seifert


Literatur, Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo: Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen, Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13: 978-3950321470, S. 53
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava, Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN 10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 92-93
Aswatama (Raden Bambang) in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/3909923
Aswatama im British Museum, London:
https://www.britishmuseum.org/collection/object/A_As1859-1228-700https://www.britishmuseum.org/collection/object/A_As1859-1228-661
Aswatama:
https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/01/aswatama.html
Eintrag in der Wikipedia:
https://id.wikipedia.org/wiki/Aswatama - https://en.wikipedia.org/wiki/Ashvatthama
Yale University Art Gallery:
https://artgallery.yale.edu/collections/objects/236557
National Heritage Board:
https://www.roots.gov.sg/en/collection-landing/listing/1073018
Aswatama im Museum of International Folk Art: https://collection.internationalfolkart.org/objects/24728/aswatama


Übersicht über die Charaktere des Wayang Kulit

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