Bernhard Peter
Wayang-Kulit-Figuren aus Indonesien


Figuren-Datenbank: Rarasati (Dewi)

Mythologie: Abstammung und Familie
Dewi Rarasati (auch: Larasati) ist die Tochter von Harya Prabu Rukma, der seit der Übernahme des Thrones im Königreich Kumbina den Titel Prabu Bismaka angenommen hatte. Ihre Mutter ist Nyai Sagopi (Ken Sagupi), eine Kurtisane (Swarawati) aus dem Palast von Mandura. Diese heiratet Nyai Antagopa, einen Hirten, und den guten Ruf des Palastes und seiner Bewohner zu wahren, und beide galten seitdem als Eltern von Rarasati. Deshalb gilt sie als Dienerin, obwohl sie eigentlich eine Prinzessin ist. Rarasati hat noch mehrere Halbgeschwister mütterlicherseits, denn ihre Mutter Sagopi hatte mit Harya Ugrasena noch die Söhne Harya Pragota und Harya Adimanggala in die Welt gesetzt, außerdem mit Prabu Basudewa den Sohn Patih Udawa. Väterlicherseits hat Rarasati noch Dewi Rukmini als Schwester, die ihr Vater mit Dewi Rumbini gezeugt hatte und die später eine Ehefrau von Prabu Kresna wird. Diese wahre Patchwork-Familie lebte im Königreich Widarakanda (Widarakandang). Der Name Rarasati setzt sich im Javanischen zusammen aus Raras = fühlen, denken, Gefühl, Gedanke und Ati = Herz, also sit als Bedeutung alles drin, was diese Kombination assoziiert. Der Name Larasati hingegen setzt sich zusammen aus Laras = singen, rezietieren, Gesang, und Ati = Herz, wieder mit einem weiten Feld an Assoziationen. Dewi Rarasati ist eine Schöpfung der speziellen javanischen Wayang-Mythologie und kommt im originalen indischen Epos Mahabarata nicht vor. Bei Franke-Benn ist Rarasati eine Tochter von Basudewa, was nicht mit den indonesischen Darstellungen übereinstimmt.

Eigenschaften
Dewi Rarasati hat nach dem allgemeinen Bild nur gute Eigenschaften: Sie ist  geduldig,, sanft, verständnisvoll und voller Selbstbeherrschung, hat aber selbst starke Überzeugungen. Sie gilt als charmant und ist von gewinnendem Auftreten. Sie kann starke Emotionen bei anderen Personen beruhigen und diese beschwichtigen, wenn sie zornig sind. Sie ist aufmerksam und macht anderen gerne Freude. Sie ist  loyal, gehorsam und ergeben. Eigentlich hat sie alles, was sich ein Ehemann von seiner Frau nur wünschen kann, und das kann auch nicht anders sein, weil sie einen der größten Helden und eines der größten männlichen Vorbilder heiratet und seinen Haushalt führt, nämlich Arjuna. Deswegen kann sie nur sein vollkommenes Gegenstück sein. Und da ihr Mann ein so vollkommener Krieger ist, spiegelt Rarasati auch diese Eigenschaften wider: Sie ist in den Kriegskünsten bewandert und kann sowohl mit dem Kris als auch mit Pfeil und Bogen umgehen, was sie aber nicht selber herausstreicht. Aber im Grunde ist sie fast so gut darin wie ihr Ehemann. Sie bringt das Bogenschießen Srikandi bei und ist erheblich besser darin als diese.

Ehe und Nachkommen
Wie schon oben vorweggenommen, heiratet Dewi Rarasati den Helden Arjuna als eine Ehefrau von sehr vielen. Ihre gemeinsamen Söhne heißen Bambang Sumitra und Bratalaras. Und selbst mit Arjunas erster Ehefrau, Dewi Sumbadra, versteht sie sich gut, weil beide Frauen ihre Kindheit gemeinsam in Widarakanda verbracht hatten, nachdem Prabu Basudewa seine ehelichen Kinder dorthin hatte bringen lassen. Rarasati vermittelt auch zwischen den unterschiedlichen Temperamenten anderer Ehefrauen von Arjuna. Arjuna ist übrigens ein Cousin von Rarasati, denn dessen Mutter, Dewi Kunti, ist die jüngere Schwester von Harya Rukma, dem Vater von Dewi Rarasati. Die beiden gemeinsamen Söhne starben im Baratayuda-Krieg kurz vor Abimanyu, mit dem sie eng befreundet waren, so wie sich auch ihre Mütter gut verstanden.

Darstellung als Wayang-Figur
Diese Frauenfigur ist vom edlen Typ mit schmalen Augen und schmaler Nase und schaut geradeaus. Sie trägt ein langes Kleid, das in einen langgezogenen Zipfel ausläuft, darüber zwei weitere Zipfel. Je nach Regionalstil ist der lange Zipfel nach hinten gestreckt oder nach vorne gezogen. Sie trägt einen von der Schulter nach hinten fallenden Schal, der einen vierten Zipfel der Gesamterscheinung bildet. Das Haar ist am Hinterhaupt zu einem Knoten gebunden. Der offene Teil des Haares fällt glatt auf die Schultern. Das Diadem hat zwei Zacken. Der Schmuck hinter dem Ohr ist vorhanden und bogenförmig vom Nacken weg nach oben gebogen. Als Prinzessin trägt sie den halbmondförmigen Anhänger an der Halskette. 


Rarasati / Larasati (WK 111), Photo: Bernhard Peter

Rarasati / Larasati (WK 111), Photo: Bernhard Peter

Rarasati / Larasati (WK 111), Photo: Bernhard Peter

Rarasati / Larasati (WK 111), Photo: Bernhard Peter

Wenn wir diese Figur nach ihren typischen Merkmalen analysieren, können wir anhand der Merkmalsliste feststellen:
1.1. edles Gesicht, schmale Züge, die Stirn geht in einer Linie in die lange schmale Nase über, die Augen sind schmal und mandelförmig, die bis auf 2 Stege freistehende Pupille schmal, die Lippen sind ganz dünn, der Gesichtsausdruck ist emotionslos, in sich versunken, ruhig und vornehm
Gesichtsfarbe weiß
2.2. geradeaus gerichteter Blick bedeutet einen neutraleren Charakter.
3.7. langes Kleid, typische Frauen-Bekleidung, endet in einem langgezogenen Zipfel, der entweder zwischen den Beinen nach vorne gezogen ist oder auch je nach Regionalstil nach hinten ausgezogen ist, darüber können weitere Zipfel nach hinten gezogen sein. Zu diesem Kleid wird ein Brusttuch getragen, das über die Schulter nach hinten geworfen ist und dort einen weiteren Zipfel bildet.
4.3. Sanggul keling = ein nach oben eingerollter schlichter Haarknoten, der Rest des Haares fällt unstrukturiert auf die Schultern = 4.4. offenes Haar

4.9. als Frau natürlich keine Barttracht
5.1. ohne Kopfbedeckung
6.3. Diadem (Jamang) mit 2 Zackenreihen

6.5. Garuda mungkur als eine Art Schutz vor von hinten kommenden Gefahren. 
6.6. Sumping surenpati, Sumping waderan = Schmuckband hinter dem Ohr, das im Bogen geschwungen ist und vom Nacken weg nach hinten gebogen ist.
7.1. edle Hand: Sie ist lang und schlank, drei Finger sind parallel leicht gebogen, die beiden äußeren berühren sich. Am oben liegenden Finger kann ein Ring mit Schmuckstein getragen werden. Das ist die typische Hand für Frauen.
8.1. nackter Fuß
9.1 keine Waffen, da Frau

10.1. Schlangen-Oberarmreifen
10.4. doppelte runde Unterarmreifen ohne seitliches Flügelornament

10.7. gar keine Fußreifen
11.1. Beinstellung ganz eng: Frauenfiguren haben meistens eine so enge Beinstellung, daß das Zwischenstück zwischen den Füßen quasi entfällt.
12.3. Kalung bulan sapit = Halskette mit einem entweder halbmondförmigen oder öllampenförmigen Anhänger

Damit ergibt sich nach dem Schematismus von Franke-Benn der Typus 1-4-413.502.60.7. Franke-Benn gibt für Rarasati 1-4-413.52.60.7 an - also alles, nur ohne Garuda mungkur, und dem folgt auch die Abb. bei Moog. Für den Typus 1-4-413.502.60.7 listet Franke-Benn mit erhobenem Blick nur Srikandi.


Literatur, Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo: Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen, Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13: 978-3950321470, S. 220
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava, Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN 10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 78
Larasati (Dewi) in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/3908579
Larasarti:
https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/05/rarasati.html
Eintrag in der Wikipedia:
https://id.wikipedia.org/wiki/Larasati - https://jv.wikipedia.org/wiki/Larasati 
Larasati:
https://rikejokanan.com/tag/dewi-larasati/


Übersicht über die Charaktere des Wayang Kulit

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